( NEO-REPLika )

Foto: © Robert Narholz/ Austin-Texas /USA
T.O.M. Containering since 2010

1989-2024

"Las Meninas" Diego Velázquez, 1656 Öl auf Leinwand 318 × 276 cm Museo del Prado
"VelázquezSturm", 318 x 276 cm. (125,2 x 108,6 in.), MixedMedia on Canvas, 2024

malerei

Wolfgang Ullrich

 

 

 

 

Thomas Sturm und die Dialektik des Übermalens – oder: vom Ausgleichen ontologischer Verluste

 

 

 

Das Übermalen gehört zu den ältesten und häufigsten Praktiken der Bildkultur. Lange diente es dazu, Gemälde geänderten Mode- oder Moralstandards anzupassen, ja man baute Bilder um wie Häuser, um sie weiter nutzen zu können. Oft wurden aber auch ikonoklastische Zwecke mit dem Übermalen verfolgt; es ging darum, etwas Verhasstes zum Verschwinden zu bringen und zugleich das Auslöschen selbst möglichst sichtbar zu machen.

In der Moderne entstanden dann weitere Spielarten von Übermalung. Meist haben sie einen dialektischen Charakter, vor allem wenn Künstler sich

Werke anderer Künstler vornehmen. Mit einer Übermalung verfremden oder ironisieren sie das Ausgangsbild, machen auf Schwächen aufmerksam

oder heilen diese, lassen sich zu Ergänzungen anregen oder verstärken eine Aussage.

 

Nachdem Thomas Sturm schon in früheren Werkgruppen Bilder teilweise übermalt hatte, überdeckt er sie bei der Serie „Alter Meister“ komplett mit

einer per Spachtel dick aufgetragenen Schicht von Malbutter. Auf die Ikonografie oder Komposition der zugrundeliegenden Bilder wird nicht spezifisch

reagiert, vielmehr sind die Bilder ‚all over’ mit der Paste überzogen und dadurch fast unsichtbar gemacht. Nur leicht schimmern sie noch hindurch, und vielleicht erkennt man sie sogar nur deshalb, weil man sie bereits mehr oder weniger gut kennt. So handelt es sich um berühmte Werke großer

Museen, die Sturm vor Ort fotografiert hat und auf Leinwand drucken ließ. 

 

Im ersten Moment mag man auch ihm ikonoklastische Absichten unterstellen. Will Sturm vielleicht gegen die ewige Gegenwart der ‚Alten Meister’

rebellieren, um als nachgeborener Künstler überhaupt eine Chance auf Aufmerksamkeit zu haben? Dass er die übermalten Bilder groß und mit greller Geste signiert, ließe sich dann als Akt eines Aufbäumens, als Selbstbehauptungsversuch interpretieren. Doch der Duktus, in dem die Malbutter über die Fotos der Meisterwerke gelegt ist, erscheint so sorgfältig, ja geradezu behutsam, dass es unangebracht wäre, damit eine aggressive Motivation zu

assoziieren. Im Gegenteil wirkt es eher, als habe Sturm die Abbilder von Rubens, Vermeer, Spitzweg und Beckmann gesalbt, gar einbalsamiert.

Schützt die zusätzliche Schicht sie nicht eher statt sie zu zerstören?

 

Da es sich um simple technische Reproduktionen der Werke handelt, bedürften sie eigentlich aber gar keines Schutzes. Oder etwa doch? Oder sogar

gerade deshalb? Tatsächlich erweist sich Sturms Serie bei etwas näherer Betrachtung als besonders dialektisch. Indem er die schon so oft

abfotografierten und reproduzierten Werke ein weiteres Mal reproduziert, bestätigt und verstärkt er zuerst den Prozess, den Walter Benjamin als

„Zertrümmerung der Aura“ der Kunst diagnostiziert hat. Der wahre Ikonoklasmus, so könnte man Benjamins These paraphrasieren, besteht gerade

darin, dass man Bilder beliebig oft reproduziert, weil man sie sich „näherzubringen“ versucht und immer und überall verfügbar haben will. Denn durch

diese „Überwindung des Einmaligen“ werden die Werke um ihre Besonderheit gebracht; die Begegnung mit ihnen lässt sich nicht mehr als überraschendes Geschenk erfahren, vielmehr werden sie aufgrund der unlimitierten Reproduzierbarkeit stumpfer, erleiden einen ontologischen Verlust.

 

Doch da Sturm die Reproduktionen dann weitgehend überdeckt, sie wie hinter dickem Milchglas erscheinen lässt, kehrt er den Prozess des

Näherbringens um. Auf einmal rücken die Bilder wieder in die Ferne, sie entziehen sich dem vereinnahmenden Blick, werden durch die Faktur und die Signatur sogar wieder zu Originalen, zu etwas Einmaligem. Benjamins berühmte Umschreibung der Aura als „einmalige Erscheinung einer Ferne,

so nah sie sein mag“ liefert also eine passende Beschreibung des Charakters von Thomas Sturms Serie „Alter Meister“.

Mit ihr wendet sich Sturm gegen den Verlust von Aura; er gibt sich nicht damit zufrieden, dass Kunst im Modus des fortwährenden Reproduziertwerdens auf ihre Sichtbarkeit, auf ihren bloßen „Ausstellungswert“ reduziert wird. Dass er die Bilder mit einer Paste bestreicht, soll ihnen nicht nur Einmaligkeit zurückgeben und sie erneut unverfügbar werden lassen, sondern er hat damit auch ein Ritual gefunden, das ihnen – nochmals im Sinne Benjamins – einen „Kultwert“ verleiht. Diesen bekräftigt Sturm umso mehr, als er den Akt des Signierens ebenfalls als Ritual zelebriert.

 

Die Signatur macht aber auch bewusst, dass es in einer Kultur, in der Reproduktionen allgegenwärtig und die Regel sind, genauso eine künstlerische

Leistung darstellt, wenn man, statt neue Werke zu schaffen, ‚Alten Meistern’ etwas von ihrer ursprünglichen Bedeutung und dem Stellenwert zurückzugeben vermag, den sie hatten, als es sie ausschließlich als Originale gab. Eben das gelingt Thomas Sturm, indem das Übermalen bei ihm zu einem Wiederholen geworden ist. Man kann das für romantisch oder sentimental halten, darin gar eine kulturpessimistische Haltung vermuten, aber letztlich ist es vor allem Ausdruck eines hohen künstlerischen Ethos. Der Serie „Alter Meister“ liegt die Einsicht zugrunde, dass Kunst weniger darin besteht, sich von Traditionen abzusetzen und nach Eigenem und Eigenständigem zu streben, sondern sich vor allem aus der Fähigkeit entwickelt, ontologische Verluste auszugleichen.

 

 

Wolfgang Ullrich

 

Thomas Sturm and the Dialectic of Overpainting - or: on Redressing Ontological Losses

 

Overpainting is among the earliest and most frequently used practices in pictorial culture, employed to adapt artworks to shifting fashions or moral standards, and thus, much like buildings, pictures could be reconstructed for further use. Yet, in many cases overpainting also served iconoclastic ends; here, the aim was to eliminate something loathsome while at the same time allowing the erasure itself to remain as visible as possible. Further varieties of overpainting were ushered in during the modern era. Typically, such techniques exhibit a dialectical character, above all, when artists turn their sights on the work of other artists. By overpainting, they alienate or ironize the original picture, call attention to or remedy shortcomings, or are else inspired to elaborate or reinforce a statement.

Whereas in his earlier series of works Thomas Sturm, in part, drew on this technique in various of his pictures, in the “Old Master” series he covers them entirely with thickly layered slathers of painting butter applied with a palette knife. No specific treatment is given to the iconography or composition of the original pictures; they are simply covered ‘all over’ with the paste and thus rendered virtually invisible. And yet they still faintly shimmer through, recognisable perhaps simply by virtue of our being familiar with them. These are celebrated works housed in major museums, which Sturm photographed on site and had printed on canvas. 

At first glance, one may well be inclined to also impute iconoclastic intentions to Sturm. Is he, perhaps, staging a revolt against the perennial presences of the ‘Old Master’ so as to ensure that he, as a latter-day artist, has the least chance of attracting the slightest attention? That he signs the overpainted pictures writ large, and in loud, garish gestures might well then be construed as an act of defiance, an effort at self-assertion. And yet, the manner in which the painting butter is overlaid on the photographic reproductions of the masterpieces appears so painstakingly, even delicately executed, that any imputation of aggressively fuelled motives could only be unwarranted. Quite to the contrary. For it seems as if Sturm almost anoints, or even embalms the reproductions of Rubens, Vermeer, Spitzweg and Beckmann. Does not the extra layer protect rather than destroy them?

Since these are what they are, mere technical reproductions of the works, they do not actually warrant such protection. Or do they? Or even, they do, perhaps, precisely because of this? Indeed, on closer inspection, Sturm’s series reveals itself as overtly dialectical. By reproducing works that have been photographed and reproduced countless times, he initially affirms and reinforces that very process Walter Benjamin diagnosed as the “shattering of the aura” of art. True iconoclasm, as one might paraphrase Benjamin’s thesis, would consist precisely in reproducing images any number of times in an effort to “bring them closer” to oneself and hence have them everywhere available and at all times. For this “vanquishing of the unique” divests such works of their singularity; the encounter with them can no longer be perceived as an unexpected gift but rather, owing to the unfettered means of reproduction, they are rendered duller and so sustain ontological dissipation.

And yet, since Sturm obscures the reproductions, for the most part by causing them to appear as if behind densely frosted glass, he thus reverses this process of bringing them closer. All at once the pictures again recede from view, thereby eluding the possessing gaze; by way of facture and signature they indeed once again become originals, something unique. Thus, Benjamin’s famous paraphrasing of aura as “a singular appearance of a distance, however near it may be” very aptly conveys the essence of Thomas Sturm’s series “Old Master”. It is with this that Sturm counters the demise of aura; he does not remain content with art reduced to its visibility, merely to its “exhibition value” in the mode of perpetual reproduction. By suffusing the paintings with a paste not only does he restore the paintings’ singularity, thereby once again rendering them unavailable, but in doing so he also succeeds in finding a ritual that confers on them - once again in the spirit of Benjamin - a “cult value”. Sturm reinforces this all the more in his celebrating the ritual act of the signature.

At the same time, the signature also illustrates that in a culture of omnipresent reproduction long since become the rule, it would be no less of an artistic achievement if, instead of creating new works, one would restore to the “Old Master” a semblance of the former meaning they once bore solely in their original form. And, to the degree that in his work overpainting becomes repetition, this is precisely what Thomas Sturm accomplishes. One may regard this as romantic or sentimental, or even presume some culture-pessimistic bearing; yet, in the final analysis, it is above all an articulation of a fine artistic ethos. The “Old Master” series pivots on the insight that art consists less in dissociating itself from tradition and in aspiring to something distinctive and independent, but rather, and most importantly, that it develops from the capacity to redress ontological losses.

Foto: © Thomas Sturm
"ALTER MEISTER", Kunsthalle Darmstadt 2022-2023

 

THOMAS STURM:  The Darkened Paintings 2009-2013

                                        (Apokalypik/Teil 2)

 

In einem zweiten Anlauf rekonstruiert und reanimiert Sturm eine Phase seiner vielschichtigen Interpretation von und mit der Malerei, die ganz am Anfang seiner damals jungen Karriere als österreichischer Maler stand. Die Dunklen, die Bitumen, die Apokalyptischen Bilder.

Wir sprechen hier über eine Zeitspanne von ca. 3-4 Jahren bis zu seinem Studienende 1991, eine angeheizte Zeit der politischen Umbrüche in Mitteleuropa und in Folge dem Rest der Welt(Fall der Mauer, Ostblocköffnung), der erste 24h Realzeitübertragung von Kriegsbildern (1Golfkrieg), ließ schon etwas von der Geschwindigkeit die Echtzeitaktualität von CNN und die damit verbundene Infragestellung einer Perzeptionsfähigkeit des werdenden Menschen ahnen. Die Infragestellung und Untersuchung der Vielfalt von visuellen Eindrücken deren Geschwindigkeit und deren Methodik der Einspeisung innerhalb der selbstgewählten Kunstdisziplinen, wird als immer wiederkehrendes Element im Sturmschen Bildkosmos zu entdecken sein. Nach dieser ersten dunklen Karriere, begann eine örtliche, wie künstlerische Ausbruchsphase deren Mobilität auch veränderbare Bildlösungen auch in der Machart zur Folge hatten. So ist es bei den Teerbildern, der Faktor Zeit und die Temperatur, die den Bildträger, dessen Untergrund zu einer chemischen Langzeitlagerung auffordern, setzt man zudem wie Sturm noch experimentierfreudig zusätzliche Pigmente und Lösungen ein, die das Bitumen seiner Art entsprechend ablehnt, sitzt man schnell mitten in einer Mal- Alchemie, deren Ergebnisse letztlich auch vom Zufall geprägt sein werden. Beispiel: Ausschwitzen der Farbe! 

Auslöser dieser ersten dunklen Phase, waren begleitet von seiner Beschäftigung mit Paul Virilios Zeitbetrachtung und „Bunker-Archäologie". Die Idee der letzten Dinge (Eskatologie) war im Bild geboren, jene welche sich methodisch und persönlich nacherlebt als psychologisch geführte Weltbetrachtung durch das Hauptwerk Sturm in vielschichtigen Ausdrucksformen - wie Zyklen und Bildsysteme bis zum heutigen Zeitpunkt nachvollziehen lassen.

Doch zuvor eine kleine Zusammenfassung um zu verstehen warum die Themen und das Material (Bitumen) nach knapp 20 Jahren nun nochmals auftauchen müssen. Dazu sind 2 Sachen von imminenter Bedeutung; Sturm sieht sich als ambivalentes Wesen, welcher also nicht: Maler = Mensch = Künstler ist, sondern zutiefst skeptisch in diesen Abläufen erkennbar bleibt und sich so nicht nur in der Wahl seiner Mittel und der dazugehörigen Themen absetzt, sondern zudem als virulent/dual versteht. Sein Interesse an Prototypen hat eine Wechselästhetik zur Folge. Ist also völlig entgegen einer erfolgreichen Marktstrategie, der durchlaufenden Erkennbarkeit. Diese Unsicherheitsformen, der sich von sich selbst befreienden Malerei, welche sich ständig auf den Prüfstand ihrer Selbst führt und dies verbunden mit einer Materialanstrengung, kommt als Zwitterwesen hervor, dessen Geburt als solche eher erschwerend denn erleichternd als kontinuierlich ernst geführte Arbeit wahrgenommen werden und verstanden sein will.

Den großen Auftakt der inneren wie äußeren Kulturüberprüfungsreise machte Köln und Stuttgart, wo gestützt durch zwei Stipendien die Fotografie als großer kunsthistorischer Protagonist neben der Malerei seinen ersten Auftritt im Sturmwerk hatte. Wurde in Köln noch an seiner technischen Ausarbeitung geforscht, so gab Stuttgart (Schloss Solitude) die Möglichkeit der professionellen Ausführung. Diese Zwitterwesen welche zusammengesetzt aus dem sog. „dokumentarischen“ unterlegter fotografischen Bildträger und der malerischen Öl-Hautmaske als reiner Emotionsträger(siehe Kuratorium 1994), spricht schon eine klassische Empfindungsskepsis an, die mittlerweile fast versöhnlich ruhig in zwei weitere malerischen Übergangsetappen der: (Abstrakt/Fotografisch wie Gegenständlich/Malerisch), in eine quasi schriftstellerisch wie philosophische Geschichtenerzählung führt ,die auch den Anlauf der zweiten Dunklen als Abschluss dieser Weltbetrachtungstour geben musste.

Die zweite Auflage der Dunklen will auch verstanden werden, als eine Rückkehr zu einem vergangenen Erfolgshabitus der so auch in der näheren Kunstgeschichte Thema wurde und hier nochmals als Selbstversuch bearbeitet wird. Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man dem Irrtum erlegen, all die unterschiedlichen Herangehensweisen würden nur dem schnellen Erfolg geschuldet sein, da dieser sich aber bislang nicht einstellen wollte, kann hier getrost abgeblendet werden und im Sinne der Strahlentheorie der Antike ein Abscannen der neuen Bilder erfolgen. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass dieses Bitumen, welches als quasi eingedunkelte braun-schwarze Grundierung und je nach Dichte des Auftrages, des Farbaufwalzens sich mehr oder weniger unangenehm verhält. Es ist schon der Geruch ansich der den zügigen und deshalb eingeübten Auftrag einfordert, anschließend das Auftrocknen mit oder ohne Einlage (hier: Noppenfolie) welche am Ende die teilweise reliefartige Oberfläche angeklebter Rückstände ergibt, die in ihrem meist zufälligen Formabriss bemalt zu neue Ausdehnung des Malkreises führt. Oder 3 jährige Übereinanderlagerungen der Leinwände, bei dem der abschließenden Abriss eine fast Holzschnittartige Patina auf der Leinwand von selbst entwirft. Ein Prozess der langen Wege, welcher genügend Raum bereithält, zwischendurch darüber nachzudenken, worüber man mit und durch Malerei noch sprechen will!

Die Titel verraten uns nur einen Teil dieses Versuches, welche uns als mündigen Rezipienten wohl ernst nehmen, uns aber auch instinktiv abtasten, dass es über das Gezeigte hinaus geht. Wohin bleibt unbestimmt, ist aber für künftige Aktionen schon angezeigt. Sturm platziert also sein malerisches Gedankengut weit über den der kommerziellen Galerie, den Sammler- oder Museumskauf hinaus in ein Reisesystem von dem später noch die Rede sein wird. Zuvor lässt er diese seine Arbeit aber ruhen, gleich einem guten Wein, der diese Ruhe diese Temperatur braucht um zu werden. Auch für den Künstler selbst gilt es abzuwarten, kennt er doch jene schmerzhaften Erlebnisse erhöhter Drehzahlen, die der Kunst und vor allem der Malerei nicht dienliche Voraussetzungen sind. Lassen Sie uns hier von den chiffrierten abstrakt wie comichaft auch clownesken wie skizzenhaften eingearbeiteten Zeichnungen in den malerischen Ruheraum sprechen. Wie zuvor in der Sturmschen Fotografie - Malerei Diskussion holt er sich nun die Zeichnung als Kontrahenten zur Erschwerung biografisch emotionaler Einsichten hervor. Diese wird durchaus liebevoll eingefügt ins malerische Dickicht von chemisch abstoßenden unabhängig erscheinenden Prozessen der Malerei und wird auch unsere Aufmerksamkeit gerade deshalb finden, da sie sich in der metaphysischen Zwischenschicht von Chemie und Aura des Bildes selbstreferentiell einbettet, wenn gleich auch unwillig wie es den Anschein hat.

Ruhe kommt auch diesmal nicht auf, den Titel wie: „ewig Zweiter“, „bin ein Parzival“, „Kulturerschöpfung“, „Tod des Vaters“, lassen dies auch nicht vermuten. Mit seinen Wort und Satzschöpfungen blickt der Künstler auch absichtlich auf großen Epen um sie in der Jetzt-Zeit zu neuer Bild-Aussage und uns zu einer neuen Lese-Form zu ermutigen. Sich selbst sieht er dabei durchwegs als den Schöpfer seiner Welt, welche in und aus sich das Bildsehen und Sein neu beleuchtet, auch um namentlich den Bilderstreit nochmalig zu führen. Dies verstanden als Fenster in die Geschichte nicht in die Welt!

Eingesperrt mit allem in der Zeit, ist die Kunst Ausdruck dieser Ausweglosigkeit und zeigt sich schön in seiner letzten Plastik „VOID“ von 2010-13. Dieser Raum „VOID genannt“, der in der Elisabethinischen Zeit dem Zuckerwerk zur Verfügung stand, gleicht nach Slavoj Žižek unserem heutigem Glücksei wonach nur die Hülle, die Schale aus Schokolade besteht, das Innen sich jedoch hohl ausmacht und so durchwegs zur Enttäuschung führt, wenn nicht wie beim Glücksei ein meist sinnloses Spielzeug zu finden ist das zumindest technisch über die nicht vorhandene Schokolade hinweghelfen soll. Und so spricht Sturm hier den fehlenden Inhalt (Kunstwerkes) als leere Hülle an, die nach Beseelung schreit, da es die Form der Form ist die hier in Gips abgegossen wurde um sein anschließend Aussen in Bronze und Innen in einer gefälschten Gold- und Silberpatina eingefärbt wurde. Hier spricht Thomas Sturm von „nur“ Prototypen, was heißt, das erlangte Kunstergebnis steht für mögliche weitere dieser Art, welche jedoch in ihrer jeweiligen Auslegung auch an Dimension wie Material anders denkbar wären und sind. In den Dunklen Bildern, die dem Klassischem Tafelbild am nächsten stehen, steht wohl auch die Methodik des Musealen und somit der Archivierung an, doch wäre es nicht Sturm wenn er nicht auch aus dieser von Ihm als solche für die Kunst erkannte Misere eine Ausweg entworfen hätte.

Hier entsteht gerade das Projekt des „Containering“, wo der Künstler selbst dafür sorgt, dass sein Werk einen anderen Weg der größtmöglichen Öffentlichkeit wie Selbstbestimmung a la incognito und der Geschichte erfährt. Ob der Container gekennzeichnet mit den Insignien des Künstlers nun tatsächlich mit dem Gesamtwerk gefüllt sein wird oder am Ende doch leer auf die ungewisse Reise ohne Rückkehr geschickt wir, bleibt letztlich unsere Phantasie überlassen.

Verschlossen wird er auf jeden Fall sein.

T.O.M.

 

 

 

 

 

 

"5 Kontinente“, je. h.35cm, Wachs auf Terrakotta, 2009
"5 Kontinente“, je. h.35cm, Wachs auf Terrakotta, 2009

 

CONTAINER: CONTAINERING

 

 

Diese Arbeit ist den Enttäuschten den immer wieder zur Heimkehr gezwungenen gewidmet. Jene die einst ausgezogen auf den Verteilernetzen unsere Bahnhöfe nach Ost nach West und von da weiter nach Nord und Süd um anschließend mit Ruhm heimkehrend die Zurückgebliebenen zu beschenken vom Reichtum der Erfahrung des Erschauten.

 

Ich selbst bin von Gmunden kommend über Attnang Puchheim zuerst nach Linz um anschließend wieder über Puchheim nach Deutschland fliehend der Einsilbigkeit meiner damaligen Kulturheimat zu entkommen!

Dies ist nun  25 Jahre her und meine Reisewege führen mich immer noch auf demselben Wege zurück wie hinaus. Der unermüdliche Kraftakt der frühen Jahre ist die Einsicht und Ernüchterung über jene Welt erfolgt, die ich einst verehrt und mit großem Respekt und Spannung bewundert habe.

Diese Arbeit ist also auch ein Abschluss für einen Weg den ich selbst gegangen bin, eine radikale Lösung für einen Isolationsbegriff den ich für mich erkennen musste, den die Kunst als unabhängiges an das Individuum gekettetes Erkenntnis- und Kommunikationsmodell wie ich es verstehe, und in meinem speziellen Falle nicht in der Lage war, es nach Außen verständlich Sichtbar zu machen und deshalb mein Entschluss dieses als Ganzes weg zu sperren aber nicht ohne vorher nochmals darin aufmerksam zu machen worin der Korrekturvorschlag des Gesamtpaketes lag!

 

 

Dies mag gerne damit zusammenhängen, dass sich ein eingeschlichener Arbeitsbegriff vom kontinuierlich Selbstgemachtem, dem etwas unlauterem Zusammenspiel von Fotografie und der partiell eingesetzter gestisch, abstrakten sowie einer gegenständlichen Malerei nicht verträgt. Auch ist ein interdisziplinärer Spurenwechsel von Authentischen zu Systemspekulativen Werkzyklen nicht gerade dafür ausgelegt allgemein bewundert zu werden!

 

Mein Gefühl hingegen ist nach wie vor und ohne Einschränkung jenes, dass der Künstler als Weltenantenne, als Seismograph nicht nur seine Sich- Betrachtung mit einbringen muss, sondern, sich vielmehr dieser auch entgegensetzen muss, um anschließend mit einer daraus notwendig gemachten Erfahrung sein Werk beseelen zu können.

 

Mir ist es persönlich und künstlerisch wichtig, mich in diesem Projekt, aus diesem meinem Lebensabschnitt, aus diesem Tiefschlaf der künstlichen Warteschleife, heraus zu katapultieren. Also nicht mehr zu warten auf ein Außenangebot, welches gnädigerweise mein Werk einspeist in sein selbst erfundenes, selbst autorisiertes Beurteilungs- und Bewertungssystems eines Hochdekorierten, mir aber gänzlich unbekanntes Personals. Auch ist es nicht mein Wunsch, mich an deren kollektiven Verhaltensregeln und Mustern zu erhalten um irgendwann bei Bedarf und Gehör in deren hierarchischen Focus zu gelangen. Die ganze Containerarbeit ist eine stille, wenn auch wuchtige Abkehr von diesem mir verhassten und gleichmacherischen Kunst- und Markt- und Marketingetablierungssystems, wie ich es verstehe. Natürlich gibt es, wie überall, verschiedene Ebenen in denen man sich einrichten und auch leben könnte! In meinem Falle ziehe ich jedoch die Verschleierung, die Versenkung vor. Das NICHT Erlauben von Einsicht und somit NICHT Beurteilung NICHT Spekulation durch Fremde.

 

Der Container stellt also zur Option, sein Werk auf ewig zu versenken, herauszunehmen aus der Warteschleife, quasi den natürlichen Prozess abzubrechen, ihn statt dessen tonnenschwer einzufrieren, ihn als Skulptur unzugänglich, uneinsichtig zu verschließen. Die Wahrheit über den Inhalt bleibt offen und wäre nur durch Gewalt zu erfahren. Sowohl Wert als auch Inhalt ist reine Spekulation- lässt man vom Materialwert des Containers weg. Was heißt, es ist dem Ausstellungscontainer nicht einsehbar, ob dieser nun gefüllt oder eben doch leer ist. Nur von Außen, der Schale her, ist der Container einer Gestaltung unterzogen worden. Auf sog. Porscheblau sehen wir an den längeren Wandseiten ein Logo, welches ich in meinen ersten Auslandsjahren als Schutzsymbol einer verschworenen Gemeinschaft erfunden und seit dem immer wieder bei Ausstellungen oder Katalogprojekten einsetze. An der Türfront soll sich dieses Logo wiederholen, diesmal in kleinerer Ausführung zusammen mit dem Nickname T.O.M. welcher für diese defeitistische Kunstorganisation des Untergrundes stand und die Zahlen des Tages, des Monates sowie des Jahres an dem die Skulptur zum 1sten mal sichtbar werden wird. Hier können gerne Parallelen zu den Gralsrittern gezogen werden, deren Aufgabe in der Bewachung der Bundeslade, welche auch nicht, zumindest für Ungeübte einsehbar ist, bleibt und war.

 

Wenn der Künstler, seine Kunst, in dieser Gesellschaft nur mehr reinen Unterhaltungs- wie Spekulationswert besitzt, also er sein Werk abgegeben hat, bleibt einem nur mehr der Ausweg in die Leichenstarre, in ein Selbstmumifizieren, ein Wegsperren vor den Augen jener, die beleidigend sind, deren bloße Anwesenheit ein Kunstwerk in sich selbst versinken lässt.

 

Thomas Sturm,

Berlin im Juni 2010

 

 

 

 

 

 

 

 

Entwurf: Front Door - Container 2009
Entwurf: Front Door - Container 2009
Kunstforum Nr.210
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